In den ersten Wochen des Schuljahres setzte sich die Klasse 8.1 intensiv mit dem Genre Science-Fiction und dessen Einsatz im Deutschunterricht auseinander. Science-Fiction ist ein Genre, an welchem sich die Geister zu scheiden scheinen. Fans schwärmen von fantasievollen Geschichten voller Zukunftsvisionen, Kritikerinnen und Kritiker hingegen befürchten eine Verängstigung durch dystopische Weltuntergangsszenarien. Durch die systematische Recherche unterschiedlicher Materialien (von Infografik über Onlinemedien bis hin zu Auszügen aus Science-Fiction-Romanen) machten sich die Schülerinnen und Schüler ein eigenes Bild und verfassten erörternde Beiträge mit dem Ziel, auf der Homepage veröffentlicht zu werden. Der besondere Schwierigkeitsgrad lag darin, die mannigfaltigen Materialien gewinnbringend in die Erörterung einzubinden. In besonderem Maße gelang dies der Schülerin Marta Helmstedt, deren Beitrag ich Ihnen nun nicht länger vorenthalten möchte. Ich wünsche Ihnen gute Unterhaltung beim Lesen und vielleicht weckt Marta ja auch in Ihnen die Lust, einmal selbst in die Welt der wissenschaftlichen Dichtung abzutauchen?
Claudia Richter, Lehrerin für Deutsch und Ethik an der Friedrich-Schiller-Schule
Von Goethe zu fernen Galaxien – Science-Fiction im Deutschunterricht?
„Sowas setzt den Kindern doch bloß Flausen in den Kopf.“
„Die alten Romane sind doch erst richtige Literatur.“
Solche oder ähnliche Aussagen hat doch jeder schon einmal als Reaktion auf seine Hobbys oder seine Lieblingsserie gehört. Doch oft sind diese Behauptungen unüberlegt und sehr spontan. Vor allem in Bezug auf Science-Fiction wären das gewagte Aussagen, die aber teilweise auch einen wahren Kern haben.
Für alle, die jetzt ein Fragezeichen im Kopf haben und nicht so genau wissen, worum es sich bei Science-Fiction überhaupt handelt, gibt es hier eine kleine Zusammenfassung: Science-Fiction, kurz Sci-Fi, ist ein Genre für Romane, Filme, Comics etc., das meist in einer zukünftigen oder alternativen Welt spielt. Diese kann utopisch, aber auch dystopisch sein. In den Geschichten geht es meist um zukünftige technische Entwicklungen. Oft sind die Erfindungen, welche beschrieben werden, ausgedacht, haben aber einen wissenschaftlichen Kern. Die ersten Romane des Genres wurden im 19. Jahrhundert geschrieben und die bekanntesten Vertreter waren z.B. Mary Shelley mit ihrem Buch „Frankenstein“ und Jules Vernes Roman „In 80 Tagen um die Welt“. In einigen dieser Geschichten wurden teilweise schon einige Erfindungen aus unserer Zeit beschrieben, wie z.B. das Smartphone und das Internet.
Heutige bekannte Vertreter sind u.a. die Filme Star Wars und Interstellar. Inzwischen ist Sci-Fi nicht nur bei Jugendlichen sehr etabliert, sondern auch bei vielen Erwachsenen. Die Zukunftsromane lassen den Leser von einer anderen Welt träumen. Wieso sollte man sie also nicht mit in den Unterricht einbeziehen?
Einerseits muss man anmerken, dass man, um in die futuristischen Welten einzutauchen, viel Vorstellungskraft benötigt und sich darauf einlassen muss. Science-Fiction kann für einige Jugendliche überfordernd oder schwer verständlich sein, da in vielen Romanen abstrakte und sehr komplexe Themen oder Welten angesprochen werden. Laut Gabriele Teutloff kommen in den meisten Büchern düstere Zukunftsvisionen vor und diese können vor allem auf Kinder belastend wirken. Ein Beispiel dafür wäre das Buch „Cryptos“ von Ursula Poznanski, in dem es um eine vom Klimawandel vollkommen zerstörte Welt, in der die Menschen nur noch im Traum in andere Welten reisen können, geht. Zudem können einige Umstände in Büchern von manchen Schülern mit viel Fantasie auf die echte Welt projiziert werden, wie es bei einigen gewaltverherrlichenden Computerspielen der Fall ist. Science-Fiction im Unterricht einzubauen, hängt also stark von der individuellen Reife der Kinder ab.
Allerdings könnten viele Zukunftsromane auch eine angemessene Herausforderung sein und die Fantasie anregen. So ergibt sich viel Spielraum für Austausch und Textarbeit im Unterricht, findet auch Phillipe Wampfler, ein Student für Fachdidaktik. Er schlägt unter anderem vor, eine Sci-Fi Dystopie einmal als Utopie zu schreiben oder, da viele Romane wissenschaftlich fundiert sind, utopische Gegenstände zu beschreiben und herauszufinden, wie sie funktionieren. So hätten viele Jugendliche mehr Bezug und Interesse am Deutschunterricht und das kann die Konzentration steigern. Uli Vaorim, ein Diplom-Pädagoge, findet, man müsse Jugendliche aus ihrem eigenen Terrain abholen, um sie mehr anzusprechen und zum Diskutieren zu bewegen. Im Unterricht werden oft politische, gesellschaftskritische und historische Textsorten behandelt, welche die wenigsten Jugendlichen in ihrer Freizeit lesen. Am meisten wird Science-Fiction und Fantasy, gefolgt von Abenteuergeschichten, gelesen, wie eine Studie der TAMoLI im Jahr 2017 herausfand. Allerdings kann man gesellschaftskritische Romane mit Sci-Fi sehr gut verknüpfen, denn in den meisten dystopischen Zukunftsromanen geht es um Zukunftsvisionen, die oft einen kritischen Hintergrund haben. Sie warnen uns vor aktuellen „Missständen“ oder risikoreichen Themen in der Gesellschaft, z.B. vor dem Klimawandel, vor Rassismus oder künstlicher Intelligenz. Indem sie in einer zerstörten Welt handeln, fordern sie uns indirekt dazu auf, sich für etwas zu engagieren und Lösungsansätze zu finden. So kann es einen Anreiz für die Jugend geben, im Unterricht zu diskutieren oder Interpretationen zu schreiben.
Ich persönlich komme zu dem Schluss, dass die Einbindung von Zukunftsromanen im Unterricht zwar überfordern kann, aber deutlich bereichernder für Jugendliche ist. Kinder müssen genauso wie bei anderen Textformen lernen, Science-Fiction zu interpretieren und zu verstehen. Wenn man diese Textart richtig mit Jugendlichen aufarbeitet, kann man Belastung vermeiden und Science-Fiction-Romane wären ein wertvoller Beitrag zum Deutschunterricht.