Wem der große Wurf gelungen … Hoffnung.
Jedes Jahr am 9. Mai versammeln sich in Leipzig/Gohlis Freunde der Freude. Menschen – jung und alt
– um daran zu erinnern, dass an diesem Tag das kurze Leben des klassischen Humanisten Friedrich
Schillers nach 45 Jahren endete. Gar nicht so vielen in Leipzig ist – neben dem Schillerhaus in der
Menckestraße – ein weiterer Gedenkort für das Dichtergenie bekannt. Der Schillerhain, einen
Steinwurf von der Sommerresidenz (1785) des dichtenden Philosophen entfernt – ein kleiner Park,
der an das weitläufige Rosental angrenzt. Dort hatten wir zu Ehren des 200. Todestages Schillers
2005 eine Winterlinde gepflanzt. Die ist nun stattliche 18 Jahre als und buchstäblich „erwachsen“
geworden. Ein idealer Ort, um auch in diesem Jahr bei wunderschönem Frühlingswetter glücklich-
nachdenklich zu werden. Glücklich, weil so überschäumend-lebensoptimistische Freude aus den
weltberühmten Zeilen dringt, die in dieser Gegend entstanden sind … „Wem der große Wurf
gelungen, eines Freundes Freund zu sein.“ Ebenfalls nicht weit weg von Lennon/McCartneys „All you
need is love“ – einer universellen Botschaft des Friedens – und der Liebe. (Schiller und die Beatles?)
Ja. Phantastisch, zeitlos, immerwährender Gedanke und Traum.
Aber Schiller war und ist nicht nur der Träumer, Phantast, „Moraltrompeter“. Sondern auch
reflektierter Realist und vor allem poetisch-philosophisches „Trostpflaster“ in seiner Zeit. Die in den
Brüchen, Werteverlusten und Unsicherheiten unserer Gegenwart ähnelt. Warum? Weil es auch
heute darauf ankommt, universellen Humanismus und allgemeine Menschrechte als
Kerneigenschaften unserer – zu bewahrenden – Demokratie zu behaupten und zu vertreten. Bleibt zu
hoffen, dass es einer Mehrheit in unserem Lande gelingt, Verstand mit Herz, Vernunft und
Humanismus zu verbinden. Die Gegenwart mit den Ideen des frühen Aufklärers Schiller zu
bereichern.
Aus diesem Grunde hatten wir uns „Hoffnung“ gewählt. Als Gedicht für den heutigen Tag. Gedanken
von Schiller, aufgeschrieben nach den Enttäuschungen der bürgerlich-liberalen „Zeitenwende“ des
ausgehenden 18. Jahrhunderts. Freie, gleiche, gar brüderliche – auch schwesterliche – Menschen? Ein
großes, immerwährendes Ziel. Schwer zu verwirklichen, in einer Welt, in der „der Egoism sein System
gegründet“ (Schiller) hat.
„Hoffnung“ – wunderbar vorgetragen von Hiba Yahyaoui aus der 11. Klasse. Im Schillerhain am 9. Mai
2023.
Es reden und träumen die Menschen viel
von bessern künftigen Tagen;
nach einem glücklichen, goldenen Ziel
sieht man sie rennen und jagen.
Die Welt wird alt und wird wieder jung,
doch der Mensch hofft immer Verbesserung.
Es ist kein leerer, schmeichelnder Wahn,
erzeugt im Gehirne des Toren,
im Herzen kündet es laut sich an:
zu was Besserm sind wir geboren.
Und was die innere Stimme spricht,
das täuscht die hoffende Seele nicht.
Jens-Uwe Jopp