Zurück in mein Land?
Der Irak ist meine Heimat,
das Land, in dem meine Geschichte beginnt,
aber nicht endet.
Jedes Mal, wenn wir zurückkehren,
für ein paar Wochen,
atme ich auf,
fühle mich ganz.
Doch der Abschied brennt immer tiefer,
weil keiner weiß,
wann wir uns wiedersehen,
ob wir uns überhaupt wiedersehen.
Ich habe nie erlebt,
wie Oma oder Opa mich von der Schule abholen,
wie sie lächelnd am Tor warten,
ihre Hände ausstrecken.
Das sind Momente,
die für andere selbstverständlich sind,
für mich aber ein Traum,
fern, wie der Irak selbst.
Ihr wisst nicht,
wie es ist,
wenn Generationen durch Grenzen getrennt werden,
wenn Liebe nur durch Bildschirme fließt.
Und hier,
in diesem Land,
in das meine Eltern geflüchtet sind, in dem ich geboren wurde
wird uns gesagt:
„Sprecht nicht eure Sprache in der Öffentlichkeit!“
Die Zunge meiner Mutter,
die einst warm und vertraut war,
wird hier als fremd und bedrohlich empfunden.
Wir flüstern Arabisch,
verstecken die Wörter,
die uns doch so heilig sind.
Die Worte, die meine Heimat sind.
„Geh zurück in dein Land,“
sagen sie,
aber sie wissen nicht,
wie sehr ich mich danach sehne zurückzukehren,
zurück zu den Straßen,
wo meine Muttersprache laut und frei
durch die Luft schwebt,
wo kein Blick mich abwertet,
nur weil ich bin, wer ich bin.
Meine Mutter,
Kopftuch fest gebunden,
trägt nicht nur den Stoff,
sondern auch den Hass,
der ihr hier entgegenschlägt.
„Was macht ihr hier?“
flüstern sie hinter ihrem Rücken,
sehen nur das Kopftuch,
aber nicht die Frau,
nicht die Mutter,
die einst auch nach Freiheit strebte,
die kämpfte, um 5 Kinder in einem fremden Land großzuziehen
Mein Vater,
mit den Händen,
die so viel aufgebaut haben,
steht still,
kann die Worte nicht finden,
um zu erklären,
warum er sein Land verließ,
aber es nie vergessen hat.
Jeder Abschied vom Irak,
nach jedem kurzen Urlaub,
lässt seine Augen schwerer werden.
Und vielleicht weint er nicht,
aber bei den Worten „Mama wir sehen uns hoffentlich nächstes Jahr“
Wir kommen immer zurück,
aber immer nur für kurze Zeit.
Und der Schmerz wächst,
jedes Mal, wenn wir gehen.
Ich bin die Tochter,
die im Irak ein Zuhause hat,
das ich nur selten sehen kann,
die nie erlebte,
wie Oma oder Opa am Schultor warten.
Ich bin die Tochter,
die ihre Muttersprache versteckt,
die Angst hat,
diese laut zu sprechen,
aus Furcht vor den Blicken,
die mir sagen: „Geh zurück.“
Aber wo soll ich hin?
Zurück in ein Land,
das ich liebe,
aber das mich auch verlor?
Zurück zu den Wurzeln,
die tief in der Erde des Irak stecken,
doch hier,
in dieser fremden Welt,
wird uns immer gesagt:
„Ihr gehört nicht hierher.“
und vielleicht stimmt es,
denn meine Wurzeln stecken tief
in einem anderen Land,
das ich kaum kenne,
doch das mich prägt.
Aber ich wurde hier geboren,
bin hier groß geworden,
habe mich hier integriert,
spreche eure Sprache,
besuche eure Schulen,
teile den Alltag mit euch.
Meine Eltern kamen nicht,
weil sie wollten,
sie kamen,
weil sie mussten.
Sie haben nicht freiwillig
alles hinter sich gelassen,
nicht wegen des Geldes,
nicht wegen der Vorteile,
sondern weil die Heimat
sie ausspuckte,
zerstört, zerrissen vom Krieg.
Jeden Tag wünschen sie sich,
dass sie zurückkehren könnten,
zurück zu dem Leben,
das ihnen genommen wurde.
„Zurück in mein Land?“
Ja, wenn es nur möglich wäre.
Doch bis dahin,
bleibe ich hier,
mit einer gespaltenen Zunge,
einem geteilten Herz,
und der Hoffnung,
dass Heimat irgendwann
mehr ist als nur ein ferner Traum.
Von F. S. Fleihe, Klassenstufe 10